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Meine grenzenlosen Möglichkeiten

Kunst wird nur dann begriffen und verstanden, wenn das Verlangen danach vorhanden ist. Es ist ein Gefühl wie Hunger und Durst, eine Notwendigkeit, der man durch inneren Zwang ausgesetzt ist, kein Entrinnen ist mehr möglich. Mich traf diese Sehnsucht nach Kunst im Alter von zehn Jahren und ließ mich nicht mehr los - und zwar merkwürdigerweise über die Musik und Literatur. Meine Lieblingskomponisten waren Bach, Mozart, Lully, andere Möglichkeiten über die Klassiker hinaus bestanden damals nicht, war doch das Naziregime gegen jede neue Aussage und zu jeder Art von Eingrenzung und Einschränkung bereit, sodass kaum neues Denken und Handeln sichtbar wurde. Trotzdem hatte ich im literarischen Bereich mehr Einblick, da mein Vater von lesewütiger Sucht befallen war und eine große Bibliothek besaß, die damals mit Büchern, die im Naziindex standen, bestückt war und die eben verboten waren wie Thomas Mann, Franz Kafka, Arthur Schnitzler, Max Brod, Marquis de Sade und viele andere. Unbewusst hatten diese literarischen Werke sicher Einfluss auf mein Denken und Handeln. Irgendwie erreichten mich die Nazizwänge nicht und hatten kaum eine wesentliche Wirksamkeit auf mich, sie wurden mir gleichgültig. Ich verstand den auf mich ausgeübten Druck nicht, und so verlegte ich mich auf die Disziplinlosigkeit und wurde unbrauchbar für die Ideologie und ihre Gewaltanwendungen. Sie waren mir keine Belastungen, sondern wurden mir zum Sport. Das Lachen war auf meiner Seite, die sogenannten vielen kleinen Führer hatten keine Angriffsmöglichkeiten mehr, um mich zu beherrschen, und wendeten sich mit der Zeit wütend von mir ab, sodass ich die Diktatur des unmittelbaren Augenblicks nicht empfand. Ein wesentlicher Moment, um existieren zu können. Die Nazidiktatur wurde geprägt von kleinen, einzelnen Diktatoren die als Vorbild ihren obersten Führer hatten - das Schreien, der Zwang, der Marschschritt, die Wiederholung, die Kraft und die Herrlichkeit. Viele gleich bleibende Verhalten ergaben das Bild der diktatorischen Gewaltherrschaft. Dies hat zwar nichts mit der Kunst zu tun, aber den freien Gedanken erst möglich gemacht und somit das Beherrschen der Herrschaft in sich selbst. Dadurch entstand der Widerstand gegen jegliche Festlegung und das gleich bleibende Verhalten. Noch immer bin ich von diesem Vorgang durchdrungen, ist es doch für mich das wichtigste Ziel, jede gleich bleibende Formulierung zu durchbrechen und permanent zu verändern. Jenes Kunstdenken, das außerhalb jeder Wiederholung entsteht, musste ich anstreben, auch wenn mich Zweifel verfolgten. Das Misstrauen an sich kann bleiben, ist dadurch doch erst der Zweck erfüllt, etwas selbstkritisch zu entwickeln. Ohne diese Haltung sehe ich keine Möglichkeiten, das Schema der gleich bleibenden Unterordnung zu verlassen und jede konträre Aussage zu ergreifen. Also ein Glück. Meine Kunst will man nur selten, nur  jene mit Verstand und einem guten Gefühl begreifen sie. Der bewusste Einstieg, Kunst zu schaffen, begann bei mir in sehr frühen Jahren. In dieser Zeit war ich erfüllt von großer Neugierde und getrieben von der Lust, Bilder, Skulpturen und Zeichnungen zu studieren.

Erst nach dem Ende des 2. Weltkriegs war es möglich, jene Kunst, die dem Verbot der Nazidiktatur unterlag, wieder zu sehen.

Die Freude und die Lust, das Beste von Matisse, Picasso, Miro, Wols, Hartung und Masson zu sehen, war für mich eine Sensation, Nahrung für die Augen und die Empfindungen. Die Begeisterung war unermesslich, was für Anregungen!, und die Aufbruchsstimmung  öffnete einen weiten Bereich von Möglichkeiten, die über mich hereinbrachen. Ich wurde fast verrückt, erfasst und von diesen Eindrücken erdrückt. Diese Begeisterung ließ langsam klare Überlegungen vorherrschen und durch Versuche das Verhältnis erarbeiten, das notwendig ist, um die Sprache der Zukunft zu begreifen und durch klares Denken und Handeln sichtbar zu machen.

Die klassische Modere war für mich Vorbild und Antrieb beim Entstehen meiner ersten Zeichnungen und Skulpturen. Wobei die stofflichen Materialien, die materiell bezogenen Äußerungen der Dadaisten und ihre Zufallsprinzipien für mich eine vermittelnde Rolle spielten, sodass die unterschiedlichsten Versuche  mit Draht, Papier, Gips usw. bei meinen Arbeiten zu Möglichkeiten ganz anderer Art führten. Ich durchbrach die Schallmauer der auf Masse aufgebauten skulpturalen Vorgänge und unternahm den Versuch, den plastischen Gedanken eine andere Dimension zu geben. Keine Volumen, sondern der Mut, die Enge der gleich bleibenden Festlegungen, ein Schema zu durchbrechen und aufzuzeigen, dass jeder Papierfetzen mehr plastischen Körper hat als jede voluminöse Anhäufung. Wie auch immer das Plastische zu begreifen ist, ohne Licht und Schatten sind Volumen nicht auszumachen und die Erkennbarkeit eines Körpers nicht zu erfassen. Damit ändert sich die äußere Sprache der Skulptur und muss einen zusätzlichen Aussagewert bekommen, d.h. der Begriff plastisch muss ersetzt werden durch eine andere neue stoffliche, darstellbare Erfassbarkeit, denn diese neuen Arbeiten ereignen sich in anderen Gesetzmäßigkeiten, wie Zufall oder in Blindheit agierend, ohne zu wissen, was entsteht. Dem Ereignis entgegenblicken, ohne zu ahnen, was sich alles entwickeln wird. Es folgt eine Überraschung nach der anderen. Durch das Verlassen des Kontrollmittels der Masse und den Verzicht auf ein bewusstes Agieren, mit dem Willen zu gestalten, erweitern sich die Arbeitsprozesse und die Möglichkeiten, unbewusste und unabhängige Arbeiten zu erstellen. Der Mut, sich ins Ungewisse zu begeben und die Zweifel zu erarbeiten und dadurch zu überwinden, was aus der klassischen Überlieferung erhalten blieb. Immer wieder erlebe und sehe ich, wie sich aus diesen fast unmöglichen Möglichkeiten immer mehr Gestaltbares, Sichtbares und Fassbares zeigt und bewiesen wird, dass die neuen künstlerischen Vorgänge begriffen werden. Jede Vision wird mit der Zeit verstanden und als selbstverständlich erlebt und als etwas gesehen, was immer da war, sodass die Erfindung an Wert verliert und zum allgemeinen Gut wird.

Das Sprachbild ist das Bild aus der Sprache, dieser Hinweis genügt, um aus dieser Idee einen plastischen Körper zu formen. Hier beginnt eine andere Dimension von skulpturalem Denken.

Die Fläche ist bevorzugt, die Körperlichkeit hat keine wie immer geartete Fassbarkeit.

Die Collage als Ausgangsmöglichkeit oder die bewusste Erweiterung des flächigen Übereinanderschichtens, jeder Vorgang wird überlegt, es werden nur Hinweise auf reale Abfolgen von Körperteilen erstellt, kein Erzählen, kein Ausleben der Gefühle, nur Einschränkungen und Details genügen. Damit meine ich den Ablauf eines minimalen Einsatzes, um das Geringste zu sagen. Das kann auch durch die Absicht entstehen, durch das Zerteilen eines ganzen Körpers. Das ergibt viele unabhängige Stücke, die nicht zueinander gehören und keinen Zusammenhang mehr ergeben. Jede Teilung erzeugt neue Ergebnisse. Hier zeigen sich jeweils neue Aussagen und erweitern die Formkraft, die im Detail liegt.

Jeder künstlerische Vorgang, der in strengen Überlegungen entsteht und gleich bleibende Produkte erstellt, braucht mit der Zeit eine gegensätzliche Einstellung und Haltung, damit Neues entsteht. Versagen ist besser als sagen, ein Kunstwerk lebt eigentlich im Versagen der angestrebten Vorsätze. Die Kunst lebt aus dem Vergessen der Erfahrung und ist nur dort zu orten, wo das Unvermögen sich zurückfindet in den Ursprung der angestrebten Ziele.

Damit bin ich noch nicht am Ende, ergeben sich doch aus dem dauernden Wechsel der Arbeitsprozesse eine laufende Infragestellung und das wiederholte Vorwerfen von Ergebnissen. Das dauernde Wiederaufnehmen und Überprüfen verlangt ein intensives und konzentriertes Handeln, um zu neuen Ergebnissen zu gelangen. Mich interessieren die außerordentlichen Vorgänge, denen Kunstwerke unterliegen, wenn sie in Räumen platziert, zur Schaustellung gebracht und einer besonderen Aussage zugeführt werden. Nicht die geordneten Kunstwerke in distanziertem Rhythmus gereiht, nebeneinander, sollen gezeigt, sondern Raumkonzepte erarbeitet werden, die von den Kunstwerken ausgehen und den miteinbezogenen Raum verändern und gestalten. Das war die Basis, von der ich ausgegangen bin, als ich in den 1960er Jahren mit der Gestaltung von Ausstellungen begonnen habe. Zur Überlegung kam, die Langweile von Ausstellungen zu durchbrechen, meine Aufgabe war es, das Gestaltungsprinzip zu verändern. Das war der Weg einer neuen Raumgestaltung mit den Objekten, die zur Verfügung standen. Damit ergab sich entsprechend den verschiedenen Angeboten von Kunstwerken eine andere Durchführungsformulierung, sodass die jeweiligen individuellen Aussagen einer zusätzlichen Gestaltungsform unterworfen wurden. Aber mit der Zeit sind Themenausstellungen die eigentlichen Träger dieser Idee, sodass der plastische Durchführungswille den jeweiligen Ausstellungsgedanken bestimmt. Einige dieser Ausstellungen, die unter meiner Regie stattgefunden haben, darf ich namentlich nennen: Kunst ohne Künstler, Die leere Galerie, Nebenprodukte, Das Produkt Soda, Die Vertreibung des Geistigen, Eine künstlerische Wahl, Das grafische Bild von Musik, Buchobjekte, Wo bleibt die Kunst, Ein wirklicher Zufall, Der ewige Prozess der Geburt, Anspruch auf Kunst, Zehn über zehn usw. Die Titel dieser Ausstellungen lassen erkennen, dass die Absicht bestand, dass die verschiedenen Ausstellungsziele entsprechend ihrem Titel den vorgeschriebenen Themen entsprechen sollten. Diese programmatischen Abläufe verlangen eine andere Art von Ausstellungsgestaltung und unterliegen dem Kunstwillen der jeweiligen Künstler. Es genügt der Hinweis, dass Raumdarstellungen, die heute von Künstlern bevorzugt werden, schon seit langem existieren und endlich von der jungen Generation bevorzugt und wiederentdeckt werden. Die Skulptur als raumfüllender Körper, der alles umfasst, sodass ein Thema in beschreibender Form jederzeit möglich wird und keine Grenzen und Einschränkungen den verschiedensten Ausdruckswerten gegenüberstehen können. Ein weites Feld von bildhauerischen Möglichkeiten. Wie das plastische Werk aussehen muss - ich weiß es nicht! Die unbegrenzten Möglichkeiten zu erfassen ist sicher die Zukunft, die Vielfalt, die sich immer wieder ergibt durch Falten, durch Zerwuzeln, durch Zerschlagen, Schneiden, Nageln, Schweißen, Sägen, Nähen, Drücken, Schrauben usw. Diese manuellen Vorgänge zu verfolgen sind der sichere Weg einer weiteren Findung von Ausdrucksformulierungen, die zumindest zulassen, dass alles durchführbar wird, was an künstlerischem Willen angestrebt wird und zwar ohne Einschränkung.
©Oswald Oberhuber

 
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