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Zu einigen Arbeiten von Jens Dittmar
Von Dr. Peter Stobbe

Die Sichtung des künstlerischen Werkes von Jens Dittmar hat folgenden Eindruck hinterlassen: Einmal manifestiert sich in bestimmten Arbeiten ein Nachempfindungen künstlerischer Strömungen entlang jener entsprechenden Zeitlinien. Hier sind seine Arbeiten geprägt von der Begeisterung für gewisse Vorbilder. Ich würde sie als ein persönliches Circumvenire um jene Vorbilder beschreiben, wobei der Begriff „Vorbild“ wörtlich zu nehmen wäre, nämlich als ein Abwägen und Überprüfen künstlerischer Gesten und als Versuch, diese Bilder vor dem Hintergrund des eigenen Schaffens auf ihre Sinnhaftigkeit, ihre Valenz und ihren „Ton“ zu überprüfen.
Andererseits zeigen sich in Dittmars Arbeiten sehr eigene Werke, die frei sind von dem oben beschriebenen Kunstgriff einer kritischen Adaption. Jene Arbeiten sind in folgende Gruppen zu unterteilen:

  • Weltmodelle
  • Hand-und-Fuss-Arbeiten
  • Logbücher (oder Unikatbücher)
  • Buchobjekte

Die Weltmodelle:
Hier handelt es sich um skizzenartig angelegte Verwebungen von Bild und fragmentarischen Texteinschüben. Konzeptuell geht es bei diesen Arbeiten meines Erachtens um die auktoriale Verortung mittels eines poetischen Denkens, um den Versuch, das Komplexe der Welt systemisch zu umreissen, um einen radikalen Ansatz der Reduktion jener Komplexität.
Diese Arbeiten haben mich begeistert. Ihnen eignet die Unmittelbarkeit des momentanen Zugriffs auf das Ganze, ohne didaktisch oder auf eine wie auch immer geartete Weise erklärend zu wirken. Andererseits entfalten sie eine sehr eigene Bildsprache, dies wiederum durch die allen Arbeiten gemeinsame formale Reduktion auf ein geheimnisvolles Netzwerk, aus Linien bestehend, aus Pfeilen, welche Beziehungen zwischen den einzelnen „Verortungen“ herstellen: Der Betrachter sieht sich eingewoben in eine geheimnisvolle „Rasterfahndung“, er empfindet eine gewisse geistige Strenge, welche sich als roter Faden durch das Ganze zieht, er sieht sich konfrontiert mit einer schwerelosen Plastizität, welche dennoch – und hier zeichnet sich das Paradoxe erneut als genrestiftende Grundlagenforschung aus – weich wirkt und schwer: kurz – hier zeigt sich ein künstlerischer, eigener Kosmos, die Suche nach Wesentlichem jenseits des rein Ornamentalen, resp. jenseits einer primären Bildhaftigkeit, sprich: jene frühen Untersuchungen der „Weltmodelle“ nehmen gewisse Ansätze der Konzept-Kunst vorweg, andererseits tangieren sie ebenso die fragilen Welterklärungsversuche, wie sie einige Vertreter der Art brut vorgelgt haben.

Die Hand-und-Fuss-Arbeiten
Hier handelt es sich um eine Serie mittelformatiger Arbeiten auf Papier, welche formal an der Schnittstelle von gestischer Malerei und expressiver Zeichnung angesiedelt sind. Auch hier gelingt es dem Autor, in der Reduktion künstlerischer Mittel eine sehr beeindruckende Serie vorzulegen – in sich kohärent, kräftiger Duktus, auf ornamentale Nebengesten und Seitenlinien verzichtend, überzeugend durch einen kraftvollen Strich resp. durch eine kraftvolle und gesetzte Pinselführung.
Die Hand-und-Fuss-Arbeiten werte ich als die überzeugendsten Arbeiten im grösseren Format: sie beanspruchen Eigenständigkeit, man spürt diesen Arbeiten eine wohltuende Atemlosigkeit an, eine interne Bewegung, welche sich eine kraftvolle Manifestierung auf dem Blatt wünscht – was dem Autor gelungen ist: jener Transfer von innen nach aussen ist deswegen gelungen, weil sich der Unmittelbarkeit des Zugriffs auf körperliches Empfinden keine intellektuelle Barriere entgegenstellen liess; diese Arbeiten, so scheint es, mögen ihren Autor im Wortsinn überrumpelt haben: ihr starker leiblicher Gestus, ihre Direktheit und die diesen Arbeiten eigene innere Dramatik – in konzeptueller und formaler Hinsicht – zeichnen diese Serie meines Erachtens aus.  
 
Die Logbücher (oder Unikatbücher)
Hier handelt es sich um ein grösseres Konvolut bearbeiteter Bücher. Hier zeigt sich erneut der direkte Zugriff des Autors auf sein Material und seine Medien: das Buch als vorgefundene Projektionsfläche, die Medien Zeichnung, Malerei, Skriptur und Druck als die geeigneten, momentan zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel.
Diese Bücher sind mehr als beachtenswerte „Leckerbissen“ – als Künstlerbücher geben sie direktesten Aufschluss über die Arbeitsweise des Autors: Ungefiltert fliessen die Dinge des Lebens ein – die Zeit, der Raum, Personen und personae.
Diese Bücher sind reich – und zwar in mehrfacher Hinsicht: formal, konzeptuell, sie sind zudem ein Reflexionsort des Leibes, seiner Bilder, seiner Imaginationen, seiner Möglichkeiten und Unmöglichkeiten.
Beim Blättern in den Büchern – die mir wie ein Ersatzleib des Autors vorkommen, weswegen sie sehr persönlich wirken, aber nie im eigentlichen Sinne privat – begeistert immer wieder das Überraschende auf der Bildebene, ebenso aber die sichere Beherrschung von Stilen und Gesten, von Anspielung und Verweis.
 
Die Buchobjekte:
Die Buchobjekte schliesslich sind in gewisser Hinsicht „Summenarbeiten“ – hierin ist ein Gesamtwerk verwoben, virtuell und unsichtbar, unter dem Tiefschwarz der Farbe ist es gelegen. Das Buch erscheint in der Tat als Grund-Passion, als Fokus und Sammelgefäss all jener Bilder und Gesten, welche im künstlerischen Werk Dittmars angelegt sind, die aber hier ungezeigt bleiben, verschwiegen – aber dennoch vorhanden: subtil, fragil, verletzlich.
Diesen vier beschriebenen Werkgruppen wünsche ich die ihnen angemessene Aufmerksamkeit eines interessierten Publikums und die offenbare Wertschätzung von Sammlern und Institutionen.

Dr. Peter Stobbe (Direktor der Kunstschule Liechtenstein)
Nendeln, 26. September 2009

 

 
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